Zugfahrt ins Glück?
Dunkel wurde schon wieder der Abend, als die letzten Töne
der Kuschelrock verklangen und die Batterien ihres Players den Geist aufgaben.
Ärgerlich steckte sie den Player zurück in die Tasche und zog ein kleines
Büchlein hervor. Einen Kugelschreiber kramte sie gleich mit aus der Tasche,
hatte sie doch wieder diesen wundervollen Gedanken im Kopf und wollte sie gerne
zu Papier bringen. Irgendwie wollten ihr aber nicht die rechten Worte
einfallen, welche diese wundervollen Gedanken hätten zu Papier bringen können.
Ein wenig ärgerlich blickte sie zum Zugfenster hinaus - ihre Gedanken
schweiften ab. Zogen zu jenem jungen Mann hin, den sie zum ersten Mal zu treffen
gedachte. Ein Foto hatte sie schon gesehen von ihm, doch... sah er in real auch
so aus? Oder war es wieder nur ein Fake? Denn davon hatte sie genug bekommen
und gesehen. Ein wenig mulmig wurde ihr zumute, es trennte sie bloß noch einen
Moment der Zugfahrt und eine Haltestelle von ihm. Zitternd schob sie ihre Hand
in die Tasche und kramte einen Schokoriegel hervor. Nervennahrung hatte ihr in
solchen Momenten bisher immer geholfen etwas ruhiger zu werden. Schon kam auch
die Durchsage nach der nächsten Haltestelle, dem vorersten Ende ihrer Zugfahrt.
bebend stand sie auf und stellte sich in die Tür des stotternd bremsenden
Zuges. Mit einem letzten Ruck kam dieser zum endgültigen Stehen und schon
öffneten sich auch die Türen. Mit dem Buch und dem Kugelschreiber in der Hand stieg
sie sich umschauend und suchend aus dem Zug aus, entdeckte ihr Ziel und lief
gradewegs darauf zu.
Wartend und ein wenig frierend fand er sich am verabredeten
Treffpunkt ein, suchte sich einen Platz der etwas abgelegen und doch zentral
genug lag um, den Überblick zu behalten. Ein wenig murrend ärgerte er sich über
sich selber nicht doch einen wärmeren Pulli angezogen zu haben. Schon kündigte
sich auch der einfahrende Zug an, der ihm sein vielleichtes Glück bringen
sollte. Noch einmal straffte er die Schultern und atmete tief durch, ein wenig
mulmig war ihm doch schon zumute bei diesem immerhin doch noch Blinddate. Zwar
hatte er sich das Foto von ihr recht gut eingeprägt, doch wusste er ob sie das
wirklich war? Woher auch! Dann stand auch schon der Zug mit einem letzten Ruck,
die Türen öffneten sich und eine Menge Personen stiegen aus. Er entdeckte nicht
sofort was er suchte, aber dann… ein leichtes Lächeln über sein Gesicht
huschte, als er sie in der Masse der Menschen ausmachte. Sie lief zielstrebig
auf ihn zu und da war sie.
Dann standen sie sich endlich persönlich gegenüber. Ein
schüchternes Hi und ein liebevoller Knuddler, das war die erste Begrüßung. Süß!
Dann gingen sie einstimmig gemeinsam erst einmal runter vom Bahnsteig. Ihm war
kalt und er brauchte erst einmal einen heißen Kaffee zum warmwerden, das was
sie doch auch gerne übernommen hätte, wollte sie es aber mitnichten laut heraus
sagen. Nun standen sie unten am Bäcker, keiner von beiden traute sich irgendwie
großartig zu sprechen. Vor ihnen lag ein Wochenende mit viel Spaß, viel
Gelächter und vielen Gesprächen. Es konnte keiner von beiden wissen, dass nach
diesem Wochenende nicht mehr das sein würde, was es vorher war. eine Menge
sollte passieren.
Es passierte auch eine Menge. Viel Spaß hatten die beiden
zusammen, nachdem sie erst einmal richtig auftauten. Was wurde da gespielt?
Oder war es gar kein Spiel? Bemerkte er ihre Blicke nicht? Kleine
sehnsuchtsvolle Blicke welche sie ihm zwischendurch immer wieder zuwarf.
Anscheinend bemerkte er sie wirklich nicht. Was für einen Kummer bereitete er
ihr nur damit. Viel es ihm denn wirklich nicht auf? War er denn wirklich blind?
Die Nacht brachte sie dann völlig aus der Bahn. Ein kleines
Spiel, erst Spaß und dann doch ernst gemeint, brachte beide zum Lachen und
scherzen. Vom Scherzen zum Kabbeln. Sollte sie es ihm leicht machen oder ihn
doch ein wenig zappeln lassen? Nein... so einfach macht sie es keinem Mann.
Niemand soll sie einfach so haben können. Sie wollte, dass er kämpfte. Kämpft
um sie... um ihr Leben, ihr Glück, um ihre Liebe! Doch es sollte leider nicht
so kommen. Viel zu kurz war ihre Nacht. Früh des Morgens wachte sie auf...
neben ihm. Beobachte seinen Schlaf und empfand jenes merkwürdige Gefühl,
welches sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Jenes Gefühl, welches bei ihr
einen Reflex auslöste zu beschützen, ein Verlangen, eine Sehnsucht, die sich
nach ihm verzehrte. Wie nannte man dies doch gleich noch? Liebe!?! Doch
empfindet sie wirklich Liebe für ihn oder ist es nur eine Schwärmerei? Nein...
es ist Liebe da ist sie sich sicher... dieses Gefühl kann nur Liebe sein!
Leise stand sie auf, machte Musik an und sang leis zu den Klängen
der Kuschelrock-CD. Sie war glücklich, sehr glücklich und verliebt. Tanzte
durch ihre Wohnung, leis, still und heimlich... er sollte es nicht mitbekommen.
Schon nahm sie sich wieder ihr Büchlein und schrieb wie von selbst jene
wunderbaren Worte auf, die ihr ihre Gefühle in den Kugelschreiber legten.
Leider erwachte er in jenem Moment aus seinem süßen Schlaf, auch verging dann
der Vormittag viel zu schnell. Immer trauriger und bedrückender wurde ihre
Stimmung, er bemerkte etwas, doch sprach es nicht an. Schon nahte auch wieder
ihr Abschied voneinander... die letzte Zugfahrt... eine Zugfahrt ins Ungewisse.
Immer stiller und bedrückender wurde sie, er bemerkte es, sprach sie an, sie
verneinte. Sah er ihr das nicht an was sie so bedrückte? Oder gar ahnte er
etwas und traute sich auch nicht das auszusprechen was denn schon
offensichtlich war für alle? Dann nahte auch schon der Abschied... ein zugiges
Gleis, eine letzte Umarmung, ein letzter Gruß und beide stiegen in ihre Züge
und entfernten sich wieder voneinander.
Ihr ist zum Weinen zumute, doch tut sie es nicht, noch
nicht, nicht im Zug vor allen Leuten. Und wieder zog sie ihr kleines Büchlein
heraus und blätterte darin herum... suchte nach jenem einem Gedicht, welches
ihrer momentanen Stimmung am nächsten kam, fand es und schluckte die leisen
Tränen der Verzweiflung herunter.